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Beethovens 10. Sinfonie wurde mit Künstlicher Intelligenz (KI)

nach den Skizzen des Meisters im Auftrag der Deutschen Telekom AG vervollständigt. Der Vorsitzende der BÜRGER FÜR BEETHOVEN, Stephan Eisel, begrüsst das Experiment und beschreibt zugleich sein Scheitern: "Das digitale Rechenergebnis war im Grunde das Gegenteil von Beethovens Schaffensprinzip. Der Komponist begnügte sich nicht mit Wiederholungen, sondern schuf Neues, das nicht die Addition seines bisherigen Schaffens war, sondern neue Dimensionen eröffnete. Solche bisher unbekannte Einmaligkeit widerspricht dem Baukastenprinzip Künstlicher Intelligenz."
Beethovens 10. Sinfonie wurde mit Künstlicher Intelligenz (KI)

 

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Stephan Eisel

Beethoven lässt sich nicht extrapolieren

Die Deutsche Telekom AG identifiziert sich mit ihrem Unternehmenssitz Bonn und lenkt immer wieder den nationalen und internationalen Blick auf die Stadt. Bonn tut das gut. Anker des Unternehmensengagements sind die Telekom Baskets und Beethoven. So lag es nahe, dass das Unternehmen sich eine Reihe besonderer Geschenke zum Beethoven-Jubiläum 2020 überlegte. Dazu gehörte das Experiment „Beethoven X – The AI Project“ uraufführte. „AI“ steht dabei für „Artificial Intelligence“ (oder KI für „Künstliche Intelligenz), d.h. maschinelles Lernen. Mit dieser Methode wollte man Beethovens 10. Sinfonie vollenden, zu der der Meister nur einige Skizzen hinterlassen hatte.

Daran hatte sich 1988 schon der englische Musikwissenschaftler Barry Cooper versucht. Er ging davon aus, dass verschiedene Skizzen Beethovens für eine Sinfonie gedacht waren und ordnete so 250 Takte einem ersten Satz zu, den er auf dieser Basis fertigstellte. Andere Skizzen für weitere Sätze hielt er nicht für umfangreich genug, um darauf aufzubauen. Aufgeführt wurde Coopers Satz einer 10. Sinfonie in der Londoner Royal Philharmonic Society, die 1817 bei Beethoven zwei Sinfonien in Auftrag gegeben hatte. Davon vollendete er eine, nämlich die Neunte. Der Auftrag kam mit Ferdinand Ries von einem Bonner. Er war einer der Direktoren der Gesellschaft, die der Bonner Johann Peter Salomon 1813 mitbegründet hatte.

Dem Computer überließ man für eine Vollendung der 10. Sinfonie nicht nur die Skizzen Beethovens, sondern fütterte ihn mit allen Beethoven-Kompositionen und tausenden Musikstücken aus Beethovens Zeit. Die Maschine spuckte dann in einem zweijährigen Rechenprozess rund zwei Millionen Noten in unzähligen Phrasen aus, die jedoch immer wieder von Menschen bewertet, ausgesucht und geordnet werden mussten.

So entstand eine Komposition mit zwei Sätzen aus von Beethoven bereits komponierten allenfalls leicht verfremdeten Versatzstücken. Sie klingt wie ein Lego-Häuschen aus Bausteinen, die man schon lange kennt – eine Art Sampler eben. Die maschinelle Aneinanderreihung von Beethoven-Motiven ergibt aber kein Beethoven-Werk. Sie ist nicht aufregend und packend, weil vorhersehbar – das Gegenteil von Beethoven.

So wurde die Ambivalenz  „Künstlicher Intelligenz“ schonungslos offengelegt: Künstlich ist eben nicht künstlerisch, oder man könnte auch sagen: Sehr künstlich – wenig intelligent. Der kreative Prozess des Komponierens lässt sich eben nicht vergleichen mit KI-Domänen wie automatische Rechtsschreibekorrekturen oder Übersetzungsprogramme.

Telekom-Chef Tim Höttges formulierte bei der Uraufführung durch das Bonner Beethoven Orchester am 9. Oktober 2021 im Bonner Telekom-Forum in Anlehnung an die von Beethoven vertonte Ode Schillers die gewagte Vision, dass Mensch und Maschine in Zukunft Brüder werden könnten. Das Beethoven-Experiment zeigte aber vor allem, dass trotz geballter Datenkraft die Maschine die Individualität des Menschen und seine Kreativität nicht erreicht. Künstliche Intelligenz kann nur auf das reagieren kann, womit sie gefüttert wird.  Generalmusikdirektor Dirk Kaftan, der die Uraufführung dirigierte, sagte zu Recht: "Die KI verarbeitet Dinge, die schon passiert sind. Sie verarbeitet die Vergangenheit. Die Frage ist, ob sie etwas originäres Neues schafft, was aus der Seele des Menschen einen Zeitgeist auffängt und daraus ein unverwechselbares Kunstwerk macht – die ist nicht beantwortet mit diesem Projekt. Und da hätte ich meine ganz, ganz großen Zweifel."

Das digitale Rechenergebnis war im Grunde das Gegenteil von Beethovens Schaffensprinzip. Der Komponist überschritt ständig neue Grenzen, er begnügte sich nicht mit Wiederholungen, sondern schuf Neues, das nicht die Addition seines bisherigen Schaffens war, sondern neue Dimensionen eröffnete. Darin liegt die Einmaligkeit von Beethovens Werk – und solche bisher unbekannte Einmaligkeit widerspricht dem Baukastenprinzip Künstlicher Intelligenz.

Es war gut, dass die Deutsche Telekom ein solches Experiment gewagt hat, aber Experimente können eben auch scheitern: Individualität und Kreativität lassen sich in ihrer Singularität nicht in die Zukunft zu extrapolieren. Sie sind nicht vorhersehbar. Das gilt für alle Menschen – und für Beethoven allemal.

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Vorsitzender:
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Geschäftsführung:
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Geschäftsstelle Bürger für Beethoven e.V.
Rathaus Bad Godesberg
Kurfürstenallee 2-3
53177 Bonn
Telefon: 0228 - 36 62 74 (Anrufbeantworter)
Fax: 0228 - 184 76 37
E-Mail: info@buergerfuerbeethoven.de

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BIC: COLSDE33XXX

Termine

Mi 10.0419:30 Uhr Vorstandssitzung
(nur mit Einladung)
Rheinhotel Dreesen
Do 11.0419:00 Uhr Beethoven Piano Club – Zehntes Konzert Pantheon Bonn (Siegburger Str. 42, 53229 Bonn)
So 14.0411:00 Uhr CELLO-GIPFEL: Ludwig trifft Debussy und Franck Collegium Leoninum Noeggerathstr. 34, 53111 Bonn
So 21.04 In Kerpen: Unser Ludwig lächelt - Klavierkabarett mit Stephan Eisel Schloß Loersfeld, 50 171 Kerpen
Sa 27.0418:00 Uhr Urgeschichten und Götterfunken
(Talk-Gottesdienst mit Musik)
Kreuzkirche Bonn

Nachrichten

Mit dem 2. Bonner Beethoven-Tag am 4. Mai 2024

wird auf dem Bonner Marktplatz I der 200. Geburtstag von Beethovens 9. Sinfonie mit der berühmten „Ode an die Freude“ gefeiert, die am 7. Mai 1824 in Wien uraufgeführt wurde. Über 100 Musiker unterschiedlichster Stilrichtungen haben ihre Teilnahme zugesagt.

Das neue Beethoven-Buch

Stephan Eisel erscheint im April 2024 im Lempertz-Verlag. Dabei geht es um BONN UND DIE NEUNTE SINFONIE, denn Beethovens Meisterwerk hat vielfältige Bezüge zu seiner Heimatstadt. Stephan Eisel erklärt auf 168 Seiten - incl. einer englischen Übersetzung -, was es damit auf sich hat. So hat beethoven hat Schillers "Ode an die Freude" bereits in Bonn kennengelernt und hier die Absicht geäußert, es zu vertonen. Und mit Ferdinand Ries war 1817 bzw. 1822 ein Bonner der Auftraggeber für die 9. Sinfonie, denn er Direktor der London Philharmonic Society.

Am 6. Mai um 18 Uhr zeigen die Bürger für Beethoven

im Bonner Beethoven-Haus anläßlich des 200. Jubiläums der Uraufführung von Beethvens 9. Sinfonie einen besonderen Film: FOLLOWING THE NINTH befasst sich als Dokumentarfilm in englischer Sprache mit den Wirkungen von Beethovens Neunter vom Platz des himmlischen Friedens in peking bis zum Fall der Berliner Mauer. Es schließt sich eine Gesprächsrunde mit Regisseur Kerry Candaele an.