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Für Beethoven war Bonn eine Talentschmiede, denn hier reifte

31. März 2020
der junge Ludwig im Geiste der Aufklärung, erhielt seine umfangreiche musikalische Grundausbildung, sammelte prägende Erfahrungen als Organist und Orchestermusiker, entwickelte sich zum außergewöhnlichen Pianisten und profilierte sich bereits als Komponist. Ohne dieses Bonner Fundament wären die produktiven Wiener Jahre Beethovens nicht denkbar gewesen. 
Für Beethoven war Bonn eine Talentschmiede, denn hier reifte

 

Nach Ostern erscheint im Verlag Beethoven-Haus:

Stephan Eisel,  „Beethoven – Die 22 Bon­ner Jahre“ er­scheint im März 2020 im Verlag Beethoven-Haus (550 S., bebildert).

Zum Vorzugspreis von 29,80 Euro können Sie das Buch hier subskribieren.
 

 

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Es ist Teil 1 einer siebenteiligen Beethoven-Serie von Stephan Eisel, die zum Beethoven-Jubiläum von Dezember 2019 bis Februar 2020 im General-Anzeiger Bonn erschienen ist:

  1. Bonn war Beethovens Talentschmiede (16.12.2019)
  2. Die Musikstadt Bonn (17.12.2020)
  3. Die Beethovens: Eine feste Größe in der Stadt (10.01.2020)
  4. Wo es nur noch Menschen geben wird(25./26.01.2020)
  5. Ein Bonner Genie an Tasten und mit Saiten (29.01.2020)
  6. Mädel und Maskenball(05.02.2020)
  7. Groß und erhaben(13.02.2020)          

 

Stephan Eisel

Bonn war Beethovens Talentschmiede

Als Ludwig van Beethoven am 17. Dezember 1770 in der damaligen Remigiuskirche (am heutigen Remigiusplatz) getauft wurde, war die Familie Beethoven schon seit Jahrzehnten eine feste Größe in der kurfürstlichen Residenzstadt am Rhein. Schon 1733 hatte Kurfürst Clemens August den damals erst 21-jährigen Sänger Ludwig van Beethoven d. Ä. aus Lüttich mit einem überdurchschnittlichen Gehaltsangebot nach Bonn abgeworben.

Der neu verpflichtete Hofmusiker mietete sich in der Rheingasse ein. Noch im selben Jahr heiratete er die zwei Jahre jüngere Maria Josepha Ball in derselben Kirche, in der später sein Enkel getauft werden sollte. Um 1740 kam ihr Sohn Johann zur Welt.1761 wurde Ludwig van Beethoven d. Ä. von Kurfürst Max Friedrich zum Hofkapellmeister ernannt. Sechs Jahre später heiratete sein Sohn Johann, inzwischen ebenfalls Sänger und Hofmusiker, die 21- jährige, bereits verwitwete Koblenzerin Maria Magdalena Keverich.

Die junge Familie zog in die Bonngasse, wo ihr Sohn Ludwig van Beethoven am 16. oder 17. Dezember 1770 geboren wurde. Da es damals noch keine Geburtsregister gab, ist das nicht genau festzustellen. Der erste Musiklehrer des kleinen Ludwig war sein Vater Johann. Er organisierte auch am 26. März 1778 den ersten öffentlichen Auftritt seines damals gerade einmal siebenjährigen Sohnes – gemeinsam mit der 18-jährigen Altistin und Hofmusikerin Johanna Helena Averdonk, die ebenfalls seine Schülerin war. Der Ankündigungszettel des Konzertes ist erhalten: Im „Musikalischen Akademiesaal in der Sternengaß“ zu Köln präsentierte Johann van Beethoven „sein Söhngen … mit verschiedenen ClavierConcerten und Trios“.

Von da an gehörte das Klavierspiel vor Zuhörern zur Routine für den heranwachsenden Beethoven. Der Bonner Hofmusiker Bernhard Mäurer erinnerte sich später: „Wie sein Louis es im fertigen Spielen so weit gebracht hatte, daß er sich mit Beifall … konnte hören lassen, lud sein exaltirter Vater jeden, der ihm nur zu Gesichte kam, ein, seinen Louis zu bewundern.“

Mit seinem zehnjährigen Sohn Ludwig unternahm Johann van Beethoven dann auch 1781 eine kleine Rundreise zu Musikfreunden in der Region. Der Weg führte sie linksrheinisch nach Flamersheim (heute Euskirchen), Odendorf (heute Swisttal), Oberdrees (heute ein Stadtteil von Rheinbach), Ahrweiler, Ersdorf (heute Meckenheim) und zu den damals selbstständigen Dörfern Röttgen und Poppelsdorf. Rechtsrheinisch ging es nach Oberkassel, Hennef und Bensberg sowie in die Siegburger Benediktiner- Abtei.Es gehört zu den oft übersehenen Verdiensten des Vaters, dass er für seinen Sohn schon früh (im Alter von acht Jahren) andere Lehrer suchte, weil er sich eingestandt, ihm nichts mehr beibringen zu können. Hier sind vor allem der hochbetagte Hoforganist Gilles van den Eeden und die jungen Hofmusiker Tobias Friedrich Pfeifer sowie Franz Georg Rovantini zu nennen.

Dabei war von entscheidendem Vorteil, dass die Residenzstadt Bonn ein von den jeweiligen Kurfürsten über mehr als hundert Jahre gefördertes Zentrum der Musik war. Die Hälfte der damals etwa 10.000 Einwohner – die Stadtgrenzen entsprachen in etwa der heutigen Innenstadt mit der Fußgängerzone – gehörten zu Familien, die ihr Auskommen am kurfürstlichen Hof und in der kurfürstlichen Verwaltung fanden. Die andere Hälfte gehörte zu Handwerkerfamilien.

Die kurfürstliche Hofkapelle war als Teil des Hofstaates und im Wettbewerb mit Mannheim das führende Orchester im deutschsprachigen Raum. Bonner Familien wie Salomon, Ries und Simrock brachten über Generationen hinweg talentierte Hofmusiker hervor. Zugleich blühte in Adelskreisen und auch im Bürgertum eine breite Szene mit vielen weit überdurchschnittlich begabten Amateurmusikern. Zu Beethovens Zeiten war Bonn durch und durch eine Musikstadt.

Diesem Umstand ist auch wesentlich zuzuschreiben, dass mit dem Sachsen Christan Gottlob Neefe im Jahr 1781 ein sehr erfolgreicher Komponist nach Bonn kam. Er wurde Hoforganist, brachte als dessen Lehrer den jungen Ludwig van Beethoven in Kontakt mit der Bachschen Musik und war mit seinem nationalen Netzwerk ein besonderer Förderer des jungen Talents.

Beethoven vertrat Neefe ab dem Jahr 1782 an der Orgel und wurde 1784 im Alter von nur 13 Jahren stellvertretender Hoforganist in Gala-Uniform. Damit war Beethoven also schon mit 13 Jahren Berufsmusiker. Berufen hatte ihn der neue Kurfürst Max Franz, der als jüngster Sohn von Kaiserin Maria Theresia selbst eine solide musikalische Ausbildung erhalten hatte. Er war mit Mozart bekannt, nannte eine reichhaltige Notensammlung sein Eigen und spielte selbst als Bratschist – auch mit Beethoven — gerne in kammermusikalischen Ensembles. Der junge Beethoven konnte es mit diesem Musikliebhaber als Dienstherrn kaum besser treffen.

Max Franz war zugleich ein sehr liberaler Herrscher. Demonstrativ wohnte er nicht im kurfürstlichen Schloss und war oft in schlichter Kleidung auf den Straßen Bonns zu sehen. Er förderte auch Orte des offenen Austausches wie die 1787 gegründete und bis heute existierende Lesegesellschaft. Musiker waren dort — wie schon zuvor im Illuminaten-Orden — besonders zahlreich vertreten, und nicht zuletzt Beethovens Lehrer Neefe gehörte dazu.

Auf den jungen Beethoven blieb dies nicht ohne Einfluss. Bald schloss er sich einem Freundeskreis an, der sich um die von der „Wittib“ Koch geführten Gastwirtschaft „Zehrgarten“ am Bonner Marktplatz gebildet hatte. Dort traf man sich und diskutierte die neuesten Stücke von Friedrich Schiller und die Ereignisse, die auf die Französische Revolution hinführten. Beethovens Bonn war eine Stadt der Offenheit und des regen Austauschs neuer Gedanken und Ideen.

Zugleich schritt Beethovens musikalische Entwicklung voran. Neben seinem Orgeldienst in verschiedenen Bonner Kirchen sammelte er auch Erfahrungen als Cembalist im Orchester. Sein ziel: Er wollte Hofkapellmeister wie sein Großvater werden.

Als Beethovens Ausnahmetalent immer deutlicher hervortrat, schickte ihn Kurfürst Max Franz 1787 zur Ausbildung nach Wien — zu Mozart. Dieser Studienaufenthalt fiel allerdings kürzer als geplant aus, weil Beethovens Mutter schwer erkrankte. Sie verstarb im Juli 1787. In der Folge verfiel der Witwer Johann van Beethoven dem Alkohol und sein 16-jähriger Sohn Ludwig musste die Verantwortung für seine beiden jüngeren Brüder übernehmen.

In dieser Zeit wurde die Familie von Breuning mit vier Kindern etwa in Beethovens Alter zur Ersatzfamilie für den jungen Musiker. Dort wurde er auch durch die Teilnahme am Privatunterricht für die Kinder in den Bildungskanon der Zeit eingeführt. Die zwei Jahre jüngere Eleonore von Breuning darf als Ludwigs erste Jugendliebe gelten, und ihr Bruder Stephan, der später ebenfalls nach Wien zog, war zeitlebens einer von Beethovens engsten Freunden. Eine lebenslange Freundschaft verband Beethoven auch mit dem Bonner Arzt Franz Gerhard Wegeler, der später Eleonore von Breuning heiratete.

So wurde Ludwig van Beethoven in einem Umfeld erwachsen, in dem hohes musikalisches Niveau, der offene Geist der Aufklärung und persönliche Freundschaften eng miteinander verwoben waren. Neider und Feindschaften sind aus den Bonner Beethoven-Jahren nicht bekannt und wurden auch rückblickend nicht von ihm benannt.

Musikalisch spiegelten sich in Bonn damals wie im Brennglas die aktuellsten Trends der Zeit. Man spielte die neuesten Kompositionen zum Beispiel von Haydn und Mozart. So kam beispielsweise „Don Giovanni“ schon ein Jahr nach der Prager Uraufführung in Bonn auf die Bühne. Zugleich warb Kurfürst Max Franz immer wieder europäische Spitzenmusiker für die Hofkapelle an. Dazu gehörten neben Neefe beispielsweise auch der Italiener Andrea Luchesi als Hofkapellmeister und der böhmische Cellist und Konzertmeister Joseph Reicha.

In Beethovens Alter kamen Ausnahmetalente wie Anton Reicha (Flöte) und die Vettern Bernhard (Cello) und Andreas Romberg (Violine) nach Bonn. Sie machten von dort als Solisten und Komponisten Karriere auf den europäischen Konzertbühnen. Beethoven konnte sich so mit anderen Ausnahmetalenten messen.1789 begann Beethoven seinen zusätzlichen Orchesterdienst als Bratscher. So lernte er die Musikliteratur seiner Zeit in Bonn nicht nur durch theoretisches Studium kennen, sondern auch durch eigenes Spiel im Orchester. Im Juli 1791 wird er bei einer Auflistung der Hofmusiker so häufig genannt wie kein anderer, nämlich gleich an drei Stellen: als Organist, als Bratschist und mit dem Hinweis „Klavierkonzerte spielt Hr Ludwig v. Beethoven“.

Als Solist am Klavier zog Beethoven wegen seines außergewöhnlichen Talents früh die Aufmerksamkeit auf sich. Schon 1783 schrieb Christian Gottlob Neefe im „Magazin der Musik“ über den erst zwölfjährigen Ludwig: „Er würde gewiß ein zweyter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er so fortschritte, wie er angefangen.“

Als Beethoven im November desselben Jahres mit seiner Mutter zum Verwandtenbesuch nach Rotterdam reiste und in Den Haag mit dem 25 Jahre älteren Geiger und Komponisten Carl Stamitz ein Konzert gab, vermerkt der erhaltene Gagenzettel für das Bonner Ausnahmetalent ein Honorar von 63 Gulden, während sich der etablierte Stamitz mit nur 14 Gulden begnügen musste.

Beethovens pianistische Entwicklung schritt in Bonn so konsequent voran, dass der Musikkritiker, Pianist und Komponist Carl Ludwig Junker ihn im November 1791 als den „größten Spieler auf dem Klavier“ bezeichnete und schrieb: „Sein Spiel unterscheidet sich auch so sehr von der gewöhnlichen Art das Klavier zu behandeln, daß es scheint, als habe er sich einen ganz eigenen Weg bahnen wollen, um zu dem Ziel der Vollendung zu kommen, an welchem er jetzt steht.“ Schon in den ersten Wiener Monaten machte Beethoven mit diesen in Bonn erworbenen pianistischen Fähigkeiten Furore. So sagte der etablierte Komponist und hochgeachtete Pianist Abbé Joseph Gelinek über den zwanzig Jahre jüngeren Beethoven Mitte 1793 nach einem Klavier-Duell: „In dem jungen Menschen steckt der Satan. Nie habe ich so spielen gehört! Er phantasierte auf ein von mir gegebenes Thema, wie ich selbst Mozart nie phantasieren gehört habe. Dann spielte er einige Kompositionen, die im höchsten Grade wunderbar und großartig sind, und er bringt auf dem Klavier Schwierigkeiten und Effekte hervor, von denen wir uns nie etwas haben träumen lassen.“

Die Improvisationskraft Beethovens hatte schon in Bonn die Menschen fasziniert. Sein Jugendfreund Joseph Wurzer schildert später die außergewöhnliche Wirkung von Beethovens Orgelspiel bei einem Besuch in der Kirche im Godesberger Kloster Marienforst: „.B. fing nun an, Themata, die ihm die Gesellschaft aufgab, zu variieren, so daß wir wahrhaft davon ergriffen wurden; aber was weit mehr war, und den neuen Orpheus verkündigte: gemeine Arbeitsleute, die unten in der Kirche das durch das Bauen Beschmutzte rein machten, wurden lebhaft davon afficirt, legten vor und nach ihre Werkzeuge hin, und hörten mit Staunen und sichtbarem Wohlgefallen zu.!“

Während sich die Laufbahn des Solisten Beethoven in Wien fortsetzte, war Beethovens Orchesterdienst auf die Bonner Jahre beschränkt. Aber in jenen Jahren lernte er sowohl die Möglichkeiten und Grenzen der unterschiedlichen Instrumente kennen, als auch das „Instrument Orchester“. Dabei wurde er mit einem umfangreichen Repertoire konfrontiert. In den fünf Spielzeiten als Bratscher wirkte Beethoven bei der Aufführung von etwa 50 verschiedenen Opern mit. Der praktische Musiker, der Beethoven in Bonn viel stärker als später in Wien war, schuf das Fundament für den Komponisten Beethoven.

Schon während seiner Bonner Zeit hat Ludwig van Beethoven mehr als 60 Kompositionen geschaffen, und man darf davon ausgehen, dass er bei seiner Abreise schon viele neue musikalische Ideen im Kopf hatte, die er dann in Wien zu Papier brachte.

Die erste gedruckte Komposition Beethovens erschien bereits 1782 in Mannheim. Im Alter von gerade einmal elf Jahren hatte er die Neun Variationen für Klavier über einen Marsch von Ernst Christoph Dressler (c-moll) WoO 63 komponiert. 1783 folgten im gleichen Verlag weitere Werke, darunter die drei „Kurfürsten-Sonaten“. Schon hier fallen frühe eigene Akzente und große Kreativität auf. So wiederholte er in keinem der neun Sonatensätze einen musikalischen Einfall.

In dieser ersten Bonner Schaffensphase von 1783 - 1786 komponierte Beethoven noch einige weitere Klavierstücke, Lieder und Kammermusikstücke. Dabei fallen besonders auch drei Quartette für Klavier, Violine, Viola und Violoncello auf, weil diese Besetzung damals noch völlig unüblich war.Dazu kam bereits 1784 ein Klavierkonzert in Es-Dur (WoO 4), von dem immerhin 32 Blätter mit Korrekturen des Komponisten überliefert sind. Kurze Zeit später begann Beethoven mit einer Sinfonie, die allerdings nur sehr fragmentarisch erhalten ist.

Wohl wegen der schweren familiären und persönlichen Krise rund um den Tod der Mutter sind für 1787/1788 keine nennenswerten Kompositionen bekannt. Umso fruchtbarer war Beethovens zweite Bonner Kompositionsphase in den Jahren 1789 - 1792. In dieser Zeit entstanden einige Arien für Singstimme und Orchester sowie Klaviervariationen über Opernarien. Am 6. März 1791 wurde an einem Karnevalssonntag Beethovens Musik zu einem Ritterballett uraufgeführt.

Schon 1786 hatte Beethoven in Bonn mit den Arbeiten an einem Werk begonnen, das in seiner Entstehung immer wieder fälschlicherweise der Wiener Zeit zugeordnet wird: Das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 in B-Dur (op. 19). Die wesentlichen Teile dieses Konzerts stellte Beethoven bereits 1792 in Bonn fertig.Zu den wichtigsten Bonner Beethoven-Kompositionen gehören die Kantaten auf den Tod Kaiser Josephs II. (WoO 87) und auf die Kaiserkrönung Leopolds II. (WoO 88), jeweils 1790 für Solostimmen, gemischten Chor und Orchester geschrieben. Lange waren diese Partituren verschollen. Als sie dann 1884 in seine Hände fielen, schrieb Johannes Brahms dazu: „Wäre nicht das historische Datum (Februar 1790), so würde man jedenfalls auf eine spätere Zeit raten … Stände aber kein Name auf dem Titel, man könnte auf keinen andern raten – es ist alles und durchaus Beethoven!“

Das Klischee, Beethoven habe in Bonn nur in den Windeln gelegen und sei erst in Wien zum eigenständigen Komponisten geworden, ist weit von der Wirklichkeit entfernt. Beethovens Bonner Kompositionen hatten schon ihren Weg nach Wien gefunden, bevor er selbst dorthin aufbrach. So warb beispielsweise die „Wiener Zeitung“ am 13. August 1791 für den Kauf von Beethovens Bonner Rhighini-Variationen (WoO 65).

Auch eines der bekanntesten Werke von Beethoven, die Vertonung von Schillers „An die Freude“ im 4. Satz der 9. Sinfonie, hat Bonner Wurzeln. Am 26. Januar 1793 – wenige Wochen nach Beethovens Abreise nach Wien – schrieb Beethovens Freund Bartholomäus Fischenich aus Bonn unter Bezug auf den jungen Komponisten an Friedrich Schillers Frau Charlotte: „Er wird auch Schillers Freude und zwar jede Strophe bearbeiten. Ich erwarte etwas vollkommenes, denn soviel ich ihn kenne, ist er ganz für das Große und Erhabene.“ Als Beethoven am 2. November 1792 Bonn verließ, ging er davon aus, nach einiger Zeit zurückzukehren. Deshalb zahlte ihm der Kurfürst sein Gehalt als Hofmusiker weiter. Aber dann besetzten die Franzosen im Herbst 1794 die Residenzstadt Bonn, der Kurfürst musste fliehen und die Hofkapelle war aufgelöst. Beethoven hatte sozusagen seine Planstelle verloren.

So blieb er in Wien, aber auch dort seiner Heimat stets eng verbunden. Aus Bonn zogen seine beiden Brüder und einige Freunde nach Wien, und der Rhein blieb sein Sehnsuchtsort. Als ihn 1812 der 20 Jahre jüngere und später berühmte Gartenbauarchitekt Peter Lenné aus Bonn in Wien besuchte, rief Beethoven begeistert aus: „Dich versteh‘ ich, Du sprichst Bönnisch.“

Der 250. Geburtstag des Komponisten lenkt den Blick der Welt auf Beethovens Geburtsstadt und seine Heimat. Rhein und Siebengebirge als Quellen seiner Naturverbundenheit, das offene geistige Klima in der Residenzstadt. Ein eng miteinander verbundener Freundeskreis und die Musikstadt Bonn waren für Beethoven der Humus, auf dem sich sein Talent entwickelte. Der bis heute entscheidende Beethoven-Biograf Alexander Wheelock Thayer (1817-1897) kam 1866 zu dem Schluss: „Für uns bleibt das Ergebnis, daß Beethoven, als er von seiner Vaterstadt Abschied nahm, nicht bloß die Formen, in denen er schuf, namentlich die der Kammermusik, technisch beherrschte, sondern auch seine künstlerische Eigenart entwickelt hatte.“

Für den aktuellen Forschungsstand schließt der Würzburger Musikwissenschaftler und Leibniz-Preisträger Ulrich Konrad, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Bonner Beethoven-Hauses, daran an: „Dass der Bonner Beethoven keine Larve war, aus der erst in Wien der wirkliche Künstler geschlüpft ist, diese Behauptung sollte … als berechtigte Annahme für die Biographie wie für den schöpferischen Werdegang des Komponisten unstrittig sein.“Mehr von diesem „Bonner Beethoven“ zu entdecken, sollte im Jubiläumsjahr eine wichtige Aufgabe sein – 250 Jahre nach seiner Geburt in der Stadt am Rhein ist das überfällig. 

Dr. Stephan Eisel (1955) hat in Marburg und Bonn Politik- und Musikwissenschaft studiert und ist Vorsitzender des Vereins Bürger für Beethoven. Sein Buch „Beethoven – Die 22 Bon­ner Jahre“ er­scheint im Februar 2020 im Verlag Beethoven-Haus (550 S., bebildert).

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