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Das Thema "Ludwig van Beethoven und Bonn"

08. Oktober 2013
lässt sich leider auch unter die Einsicht des Markus-Evangeliums "Nirgendwo gilt der Prophet weniger als in seiner Heimat..." subsumieren. Beethoven-Denkmal, Geburtshaus, Beethovenfest und jetzt das Beethoven-Festspielhaus  sind dafür nur einige Besipiele. Ohne bürgerschaftliches Engagement gäbe es all das nicht, denn das offizielle Bonn zeigte sich meist desinteressiert. Dabei hat der große Komponist mehr als Drittel seines Lebens hier verbracht und seine entscheidende Prägung hier erfahren. Lesen dazu einen Aufsatz des Vorsitzenden der BÜRGER FÜR BEETHOVEN Stephan Eisel.
Ludwig van Beethoven im Alter von 15 Jahren, Silhouette, Lithografie der Gebrüder Becker nach einem Schattenriss von Joseph Neesen
Ludwig van Beethoven im Alter von 15 Jahren, Silhouette, Lithografie der Gebrüder Becker nach einem Schattenriss von Joseph Neesen

 

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Stephan Eisel

Bonn und Ludwig van Beethoven 

Im Jahr 2020 wird auf der ganzen Welt der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven gefeiert. Seine Musik kennen die Menschen rund um den Erdball und er ist der wohl bekannteste Repräsen­tant der Kulturnation Deutschland. 

Das Jubiläum bietet auch für Bonn als Geburtsstadt Beethovens große Chancen. Hier hat Beethoven über ein Drittel seines Lebens verbracht, seine entscheidende Prägung erfahren und mit über 70 Kompositionen das musikalische Fundament für sein Schaffen gelegt. Ludwig van Beethoven blieb seiner Heimat immer engstens verbunden. 

Ludwig van Beethovens eigentlicher Lebenstraum war es wie der Großvater gleichen Namens (1712 – 1773) kurkölnischer Hofkapellmeister zu werden. Als stellvertretender Hoforganist und mit einer Anstellung als Bratschist im kurfürstlichen Orchester war der Grundstein gelegt. Kurfürst Ma­xiliam Franz schickte ihn zur weiteren Ausbildung nach Wien. Nach einem ersten, wegen der schweren Krankheit seiner Mutter verkürzten Aufenthalt dort (1786/87), brach Ludwig van Beetho­ven im November 1792 erneut auf. In Wien sollte er – wie es ihm sein Freund und Förderer Ferdi­nand Ernst von Waldstein mit auf den Weg gab - „Mozarts Geist aus Haydens Händen“ empfangen. 

Es gibt keine Zweifel daran, dass Beethoven danach nach Bonn zurückkehren wollte. Aber im Ok­tober 1794 besetzten französische Truppen Bonn, der Kurfürst als Beethovens Arbeitgeber floh und die kurfürstliche Hofkapelle wurde aufgelöst: Beethovens Bonner „Planstelle“ gab es nicht mehr.
In Wien baute sich Beethoven sein eigenes Bönnsches Biotop auf: zeitlebens fiel er wegen seines starken rheinischen Dialekts auf, seine Brüder und enge Freunde zogen in die Kaiserstadt und die Kontakte in die Bonner Heimat blieben vielfältig. Noch kurz vor seinem Tod bekannte sich Ludwig van Beethoven zu seiner Geburtsstadt, in dem er Briefe mit „Beethoven Bonnensis“ unterzeichnete. 

Das „offizielle Bonn“ freilich ging mit seinem größten Sohn eher in einer Weise um, die an das Markus-Evangelium erinnert: “ Nirgendwo gilt ein Prophet weniger als in seiner Heimat …

So gehört es zu den Merkwürdigkeiten in der Ge­burtsstadt Beethovens, dass die Initiative für ein Beethoven-Denkmal nicht von Oberbürgermeister oder Stadtrat ergriffen wurden, son­dern von Bon­ner Bürgern. Sie gründeten zum 65. Geburtstag Beethovens am 17. Dezem­ber 1835 einen „Bonner Verein für Beethovens Monument“. Präsident war der Literaturhis­toriker Au­gust Wilhelm von Schlegel. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten u.a. der königliche Domänenrat Franz Bernhard Wilhelm de Claer und der Geologe Johann Jacob Nöggerath, wie von Schlegel seit 1818 Professor an der Bonner Universität und 1826 deren Rektor.

Der Spendenaufruf des Vereins wurde am 8. April 1836 in der von Robert Schumann herausgegebe­nen „Neuen Zeitschrift für Neue Musik“ veröffentlicht und fand dadurch größere Ver­breitung. In dem Auf­ruf heißt es: „Selten hat ein Künstler so bedeutsam, so denkwürdig gewirkt, wie Beethoven ... Eine so äußerst seltene, wohltätige und weithin wirkende Erscheinung verdient es, auf eine selte­ne und außeror­dentliche Weise gefeiert zu werden, nämlich durch ein plastisches, mög­lichst großar­tiges Monument. Ueber den dazu geeigneten Ort kann kein Zweifel sein. Die Stadt Bonn am Rhei­ne, in welcher der uns­terbliche Künstler das Licht der Welt erblickte ... scheint zu dem Unterneh­men in gleicher Weise be­rechtigt wie verpflichtet... 

Robert Schumann gehörte fortan zu den besonders engagierten Unterstützern des Projektes. Leiden­schaftlich mahnte er, „dass, wenn nicht einmal der Anfang gemacht wird, sich eine Dekade auf die Trägheit der anderen berufen wird... Vereinigt Euch also! In allen deutschen Landen möchten aber Sammlungen von Hand zu Hand, Akademien, Concerte, Operndarstellungen. Kir­chenaufführungen veranstaltet werden; auch scheint es nicht unpassend, bei größeren Musik- und Gesangsfes­ten um eine Gabe anzusprechen.“ In den folgenden Jahren folgten viele Benefizkonzerte in ganz Europa. Immer mehr engagierten sich führende Köpfe auch außerhalb der Musikwelt für ein Beethoven-Denkmal, darunter Heinrich Heine. 

Franz Liszt, ebenfalls ein großer Beethoven-Verehrer, hatte schon 1836 begonnen, für ein Beetho­ven-Denkmal Geld zu sammeln. Die politische Welt blieb zögerlich. Der preußische König Fried­rich Wilhelm III., der bis 1840 re­gierte, hatte die Genehmigung eines Denkmals für einen „Bürgerli­chen“ noch verwei­gert. Solche öffentlichen Monumente sollten Fürsten und Heerführern vorbehal­ten bleiben. Sein Sohn Friedrich-Wilhelm IV. widersetzte sich dann nicht mehr.

Bonns erster hauptamtlicher Oberbürgermeister Oppenhoff und der Rat verhielten sich dem Vorha­ben eines Beethoven-Denkmals und dem ersten Beethovenfestes gegenüber so abwei­send, dass Franz Liszt 1845 erbost ausrief: „Eine kleine Stadt kann das Glück haben, dass ein großer Mann in ihr das Licht der Welt erblickt; aber kleinstädtisch darf sein Andenken nicht gefei­ert werden.“ 

Da die von Bonner Bürgern eingesammelten Spenden nicht ausreichten, konnte das Denk­mal schließ­lich nur realisiert werden, weil Liszt über ein Fünftel der Kosten aus seiner Privatschatulle übernahm. Die Stadt beteiligte sich an der Finanzierung ihres heutigen Wahrzeichens nicht. 

Zu Enthüllung des Denkmals am 12. August 1845 kamen die politischen Würdenträger dann in großer Zahl. Unter den Gästen waren die englische Königin Victoria, der preußische König Fried­rich Wilhelm IV., Alexander von Humboldt, viele Größen den internationalen Musiklebens und na­türlich Franz Liszt, der gleichzeitig das 1. Beethovenfest initiierte. 

Die erste Begegnung mit Beethovens Werk hatte Franz Liszt als Elfjähriger 1822/23 im Klavierun­terricht bei Paul Czerny. Später spielte und dirigierte er immer wieder Werke Beetho­vens, kompo­nierte zwei Beethoven-Kantaten, verbreitete dessen Sinfonien durch Klavierbear­beitungen und war als Herausgeber wesentlich an der ersten Beethoven-Gesamtausgabe betei­ligt. Schon 1840 hatte Liszt geschrieben: „Der Name Beethoven ist heilig in der Kunst. 

Für Franz Liszt war klar, dass die Einweihung des Beethoven-Denkmals mit einem großen Fest ver­bunden sein sollte: „Nach seiner Idee durfte die Fei­erlichkeit nicht lokal, auch nicht exklusiv musi­kalisch oder exklusiv national bleiben: sie soll­te dem Genius des großen Meisters entsprechend auf breiter Basis sich bewegen und einen in­ternationalen Charakter tragen.

So schildert es Lina Ra­mann 1887 in ihrer von Franz Liszt autorisierten Biographie und sie fährt über die Bonner Vorgänge 1845 fort: 

Der erste auf dem Platz war Dr. Liszt. Er traf schon in der letzten Woche des Monats Juli ein. Die getroffenen Vorbereitungen jedoch – das gewahrte sofort sein an das Große gewöhn­ter Blick – wa­ren der Feier nicht angemessen. Man hatte die Reitbahn zur Aufführung der Koncerte gewählt und bereits geschmückt, ohne dabei an Akustik und eine große Zuhörer­schaft, geschweige an eine auch nach außen hin festliche Repräsentation zu denken. In einer gelinden Verzweiflung besah Liszt alle in Vorschlag gebrachten Lokalitäten, wobei jedesmal die Komitéherrn meinten, man könne ihnen schon in kürzester Zeit ein festliches Ansehen ge­ben. 

Schnell entschlossen erklärte jedoch Liszt: es müsse eine Festhalle noch gebaut werden. »Aber das Geld? und bis zum 11. August?!« riefen die Herren bestürzt unter einander. »Dafür werde ich sor­gen: ich werde jedes Deficit decken« – entgegnete Liszt rasch, was die Herrn, wenn auch nicht zur frohen Zustimmung, so doch zum Schweigen brachte. 

Anderntags war er mit dem am Kölner Dombau beschäftigten tüchtigen und energischen Architek­ten und Baumeister Zwirner zur Stelle. Ein zu einer Festhalle passend gelegener Gar­tenplatz war bald gefunden. Ebenso schnell waren die unter Zwirner's Leitung stehenden Ar­beiter mit ihren Bau­geräthschaften auf dem Platz, die Bäume wurden ausgegraben, der Grund geebnet, Bauholz von den Flößern auf dem Rhein herbeigebracht, in Köln Dekorationen ge­fertigt und wie ein Wunder über Nacht stieg die Festhalle gleich einem Märchenpalast aus dem Nichts empor. 

Im Zeitraum von elf Tagen war sie fertig, ein Bau von zweihundert Fuß Länge und fünfund­siebzig Fuß Breite, achtzehnhundert Quadratfuß Flächenraum mehr enthaltend als der Gürze­nich in Köln. … Die Akustik war vortrefflich und schon am 8. August schwang Spohr, die erste Probe haltend, im Saale den Taktstock.“ 

So kam ähnlich wie das Beethoven-Denkmal auch das erste Beethoven-Festspielhaus nur durch pri­vate Initiative zustande. Wieder hatte sich das „offizielle Bonn“ durch Passivität „ausgezeichnet“. 

Den Umgang von Bonner Verwaltung und Rat mit Beethoven umschrieb der englische Musik­schriftsteller Henry F. Chorely 1854 rückblickend und vorausschauend mit den Worten: „ … man plante, hielt Reden, ließ die Gläser klingen und sang – in der Vorbereitung der Sache selbst aber geringe Fortschritte machend. Dann ließ man die Sache einschlummern nach deutschem Brauch.“ 

Beethovens Probleme als „Prophet im eigenen Land“ gingen weiter:

1889 hatte die Stadtverwaltung dem Abriss des Geburtshauses schon zugestimmt. Wieder waren es Bonner Bürger, die das verhinderten und das Haus kauften. Unterstützt wurden sie von Giuseppe Verdi, Johannes Brahms und Clara Schumann. So entstand der „Verein Beethoven-Haus Bonn“, der bis heute Träger von Beethovens Geburtshaus als der herausragenden internationalen Forschungs­stätte zu Beethoven und des Beethoven-Museums mit jährlich über 100.000 Besuchern ist.

1993 hatten Rat und Verwaltung parteiübergreifend durch Streichung aller Zuschüsse das Beetho­venfest als überflüssig abgeschafft. In den fol­genden Jahren initiierten Bonner, die sich als BÜR­GER FÜR BEETHOVEN zusammenschlossen, mit vielen Konzerten den „Beethoven-Marathon“, bis die Stadt dem Druck nachgab und das Beethovenfest wieder ermöglich­te.

Als im Blick auf den 250. Geburtstag Beethovens 2020 im deutlicher wurde, dass ausgerechnet in der Beethovenstadt Bonn ein angemessener Konzertsaal fehlt, ergriffen wieder Bonner Bürger die Initiative und brachten das Projekt „Beethoven Festspielhaus“ auf den Weg. Weil die Pflege des An­denkens von Ludwig van Beethovens und seiner Musik eine nationale Aufgabe internationalen Rangs ist, überzeugten sie den Deutschen Bundestag 2007 für eine Betriebsstiftung „Beethoven-Festspielhaus“ in Bonn 39 Mio Euro bereit zu stellen. Das Land NRW, der Rhein-Sieg-Kreis und die Sparkasse Köln-Bonn erhebliche Beträge zugesagt. Die Stadt Bonn wird sich beteiligen, aber das Beethoven-Festspielhaus wird keine kommunale Einrichtung sein. 

In den Bau des Beethoven-Festspielhauses wird kein städtisches Geld fließen. Er wird – incl. aller Risiken von Baukostensteigerungen – ausschließlich privat finanziert. Die Stadt Bonn stellt das Grundstück zur Verfügung und übernimmt die Umfeldgestaltung. 2009 hat bereits ein vollständig von den Bonner DAX-Unternehmen Deutsche Post DHL, Deutsche Telekom und Postbank finan­zierter Architektenwettbewerb stattgefunden. 

Für die Realisierung der beiden Siegerentwürfe „Diamant“ von Zaha Hadid und „Welle“ von Her­mann&Valentiny haben zwei anerkannte Generalunternehmen eine Detailplanung erstellt. Sie ka­men unabhängig voneinander zu dem Schluss, dass beide Projek­te jeweils für einen Betrag von 75–80 Mio Euro netto realisiert werden können und haben dafür vertragsreife Angebote vorgel­egt. 

Für den Bau des Beethoven-Festspielhauses hat die Deutsche Post DHL AG eine Summe von 30 Mio Euro zugesagt. Eine Finanzierungslücke ist dann entstanden, als der Bonner Oberbürgermeister Anfang 2010 das Projekt „auf Eis“ legte und damit andere Sponsoren irritierte. 

Die BÜRGER FÜR BEETHOVEN, mit über 1.200 Mitgliedern einer der größten Bonner Vereine, und die FEST.SPIEL.HAUS.FREUNDE mit über 7.000 Unterstützungsunterschriften schafften dann eine Neubelebung des Projektes. Die Finanzierungslücke beim Bau wird nun durch die private Spendensammlung des gemeinnützigen „Beethoven-Festspielhaus Förderverein e.V.“ aufgebracht. Auf Initiative des Hotel- und Gaststättengewerbes wurde die „Beethoventaler“-Genossenschaft ge­gründet, die einen Baukredit in Höhe von weiteren 25 Mio finanzieren wird.

Diese Initiativen wollen noch 2013 einen „vorhabenbezogenen Bebauungsantrag“ zu stellen. Ange­sichts dieser bürgerschaftlichen Einsatzes hat sich auch der Bonner Stadtrat mit über­wältigender Mehrheit für das Beethoven-Festspielhaus ausgesprochen. So gibt es allen Anlass zur Hoffnung, dass Bonn seiner Verantwortung als Beethovenstadt durch einen angemessenen Konzerts­aal ge­recht wird und sich zum 250. Geburtstag des großen Komponisten nicht vor aller Welt blamiert. 

Wie hat Ludwig van Beethoven einmal so treffend geschrieben: 

"Wer fest auf seinen Füssen steht und ein scharfes Auge im Kopf hat,

der weiß seinen Weg, und darf auch etwas weiter gehen als ge­wöhnlich.“

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