Den ausführlichen Text der Liszt-Biografie von 1887 zu den Ereignissen in Bonn können Sie hier lesen.
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Stephan Eisel
Im Juli 1845 verhalf Franz Liszt Beethoven in Bonn zum Durchbruch:
„… die Lauen feuerte er an, den Gleichgültigen versuchte er Geschmack einzuflößen …“
Hector Berlioz über Franz Liszt 1845 in Bonn
In der letzten Juli-Woche 1845 kam der damals weltbekannte Pianist Franz Liszt nach Bonn, um die letzten Vorbereitungen für das erste Beethovenfest anlässlich der Enthüllung des Beethovendenkmals auf dem Münsterplatz am 12. August 1845 zu treffen. Liszt hatte sich ab 1839 für dieses Denkmal eingesetzt und es wesentlich mitfinanziert. Beethovens Geburtsstadt hatte er wohl erstmals zwischen 1841 und 1843 im Rahmen seiner mehrwöchigen Aufenthalte auf der Insel Nonnenwerth besucht.
Die erste Begegnung mit Beethovens Werk hatte Franz Liszt als Elfjähriger 1822/23 im Klavierunterricht bei Carl Czerny. Später spielte und dirigierte er immer wieder Werke Beethovens, komponierte zwei Beethoven-Kantaten, verbreitete dessen Sinfonien durch Klavierbearbeitungen und war als Herausgeber wesentlich an der ersten Beethoven-Gesamtausgabe beteiligt. Schon 1840 hatte Liszt geschrieben: „Der Name Beethoven ist heilig in der Kunst.“
Als Liszt 1839 dem vier Jahre zuvor von Bonner Bürgern gegründeten Komitee für ein Beethoven-Denkmal beitrat, wurde er zur treibenden Kraft: „Nach seiner Idee durfte die Feierlichkeit nicht lokal, auch nicht exklusiv musikalisch oder exklusiv national bleiben: sie sollte dem Genius des großen Meisters entsprechend auf breiter Basis sich bewegen und einen internationalen Charakter tragen.“ So schildert es Lina Ramann 1887 in ihrer von Franz Liszt autorisierten Biographie und sie fährt über die Bonner Vorgänge 1845 fort:
„Der erste auf dem Platz war Dr. Liszt. Er traf schon in der letzten Woche des Monats Juli ein. Die getroffenen Vorbereitungen jedoch – das gewahrte sofort sein an das Große gewöhnter Blick – waren der Feier nicht angemessen. Man hatte die Reitbahn zur Aufführung der Koncerte gewählt und bereits geschmückt, ohne dabei an Akustik und eine große Zuhörerschaft, geschweige an eine auch nach außen hin festliche Repräsentation zu denken. In einer gelinden Verzweiflung besah Liszt alle in Vorschlag gebrachten Lokalitäten, wobei jedesmal die Komitéherrn meinten, man könne ihnen schon in kürzester Zeit ein festliches Ansehen geben.
Schnell entschlossen erklärte jedoch Liszt: es müsse eine Festhalle noch gebaut werden. »Aber das Geld? und bis zum 11. August?!« riefen die Herren bestürzt unter einander. »Dafür werde ich sorgen: ich werde jedes Deficit decken« – entgegnete Liszt rasch, was die Herrn, wenn auch nicht zur frohen Zustimmung, so doch zum Schweigen brachte.
Anderntags war er mit dem am Kölner Dombau beschäftigten tüchtigen und energischen Architekten und Baumeister Zwirner zur Stelle. Ein zu einer Festhalle passend gelegener Gartenplatz war bald gefunden. Ebenso schnell waren die unter Zwirner's Leitung stehenden Arbeiter mit ihren Baugeräthschaften auf dem Platz, die Bäume wurden ausgegraben, der Grund geebnet, Bauholz von den Flößern auf dem Rhein herbeigebracht, in Köln Dekorationen gefertigt und wie ein Wunder über Nacht stieg die Festhalle gleich einem Märchenpalast aus dem Nichts empor.
Im Zeitraum von elf Tagen war sie fertig, ein Bau von zweihundert Fuß Länge und fünfundsiebzig Fuß Breite, achtzehnhundert Quadratfuß Flächenraum mehr enthaltend als der Gürzenich in Köln. … Die Akustik war vortrefflich und schon am 8. August schwang Spohr, die erste Probe haltend, im Saale den Taktstock.“
Über das erste Beethovenfest berichtete die Chronistin dann:
“Und in der That, es war eine nahezu europäische Beethoven-Gemeinde, die sich in seiner Geburtsstadt ihm zu Ehren versammelte. Hunderte von Tonkünstlern, Musikfreunden, Dichtern und Gelehrten fanden sich aus allen Theilen Deutschlands, Frankreichs, Englands, Schottlands, aus Rußland, Holland und Belgien in der kleinen Rheinstadt zusammen, nur einzig und allein getrieben von glühendster Bewunderung für den mächtigsten der Tonfürsten moderner Zeit. Auf eine derartige Versammlung hatte man in Bonn nicht gerechnet.„
Abschliessend fehlte nicht der Hinweis: „Nach dem Rechnungsabschluss des Beethoven-Komités ergab sich trotz des Neubaus der Festhalle kein Deficit, wohl aber blieb ein kleiner Überschuss.“