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Zum kulturpolitischen Aschermittwoch haben die 47

23. Februar 2012
Mitgliedsvereine des Arbeitskreises Kultur eingeladen. Es kam alles, was in der Bonner Kulturpolitik Rang und Namen hat. Hauptredner war Bundesminister a. D.  Peer Steinbrück. Zum Thema Beethoven-Festspielhaus hat er der Bonner Kommunalpolitik die Leviten gelesen. Er nannte die Debatte in Rat und Verwaltung "zerlaufen und richtungslos" und eine "befremdliche Entwicklung" und sagte: "Bonn läuft beim Scheitern Gefahr, den Ruf als Beethovenstadt zu verlieren!"
Morgenröte fürs Festspielhaus
Morgenröte fürs Festspielhaus

Zur ausführlichen Berichterstattung des General-Anzeiger über den kulturpolitischen Aschermittwoch geht es hier.

Der Sprecher des "Kulturkreises Bonn" und Vorsitzende der BÜRGER FÜR BEETHOVEN, Manfred Jung, trug die Forderungen der Vereine vor, die über 20.000 kulturpolitisch interessierte Bonner Bürger repräsentieren:

 

Manfred Jung: Kultur braucht Zukunft! - Zukunft braucht Kultur!  

Rede zum Kulturpolitischen Aschermittwoch des KULTURKREISES BONN am 22.02.2012  

In den Bonner Rosenmontagszügen von 2010 und 2012 fanden Zugwagen mit kulturpolitischen Themen große Aufmerksamkeit. Sah man vor zwei Jahren noch Ludwig van Beethoven – mit zwei Festspielhausmodellen in den Händen - unserem Oberbürgermeister die Gretchenfrage stellen: „Nimptscht oder nimptscht nit?“ so lautete in diesem Jahr ein Wagenmotto: „Tragt die Kultur nicht zu Grabe!“ –

Was in 2010 mehr als jahreszeitgemäßer Scherz klang, artikulierte sich 2012 in Gestalt einer ernst gemeinten Warnung.

Es ist nicht zu leugnen: Viele Kulturschaffende und Kulturförderer in dieser Stadt teilen die Erfahrung, dass das periodisch sich wiederholende Ringen um Anerkennung und finanzielle Unterstützung durch Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit vielfach nerven- und kräftezehrend – häufig auch kontraproduktiv ist. Und manche - vor allem Künstler - haben Grund, pessimistisch in die Zukunft zu schauen, weil sie Nöte oder gar Ängste plagen. 

Schaut man sich in der Bundesrepublik um, muss man allerdings auch zugestehen: diese Situation betrifft Bonn nicht allein, aus diversen Gründen aber in sehr eigener Weise und in besonderem Maße. Diese Problematik hat der KULTURKREIS BONN eingehend beraten, und er hat sich, was seine mittelfristigen Zukunftsoptionen betrifft, auf fünf Orientierungspunkte verständigt. 

( 1 ) Mentale Grundbefindlichkeiten: Bonn ist eine lebendige und kreative Stadt, die von dem beeindruckenden Reichtum und der außerordentlichen Vielfalt künstlerischer und kultureller Aktivitäten lebt. Von vielen Bürgern – und auch von Politikern – werden diese jedoch aus nicht nachvollziehbaren Motiven mehr als Hypothek denn als Chance erlebt. 

( 2 ) Historisch gewachsene Traditionen: Bonns kulturelle Strukturen und Qualitäten haben insbesondere in den Epochen des kurfürstlichen Hofes, des bürgerlichen Zeitalters und der Bundeshauptstadt-Periode wirkmächtige Ausprägungen erfahren. Diese im Blick auf ihre sozialen und urbanen Funktionen konstruktiv und zielführend weiter zu entwickeln, ist u.E. Pflichtpensum für Politik, Verwaltung und die Akteure im Kulturbereich. Pflichtpensen aber sind nicht nur mit Visionen und Runden Tischen zu bewältigen. Notwendig sind vielmehr für möglichst alle Beteiligten akzeptable Konsensstrategien im Zusammen-klang mit künstlerisch wie finanziell verlässlichen Entwicklungsperspektiven und Entwicklungsplänen. Dazu bedarf es u. E. der Berufung von Expertengremien mit klar definierten Entscheidungskompetenzen. 

( 3 ) Aktuelle und aktualisierbare Entwicklungspotenziale: Betrachtet man die städtischen und regionalen Entwicklungspotenziale, so besteht kein Grund zu Resignation oder Mutlosigkeit. Stadt und Region verfügen - das bestätigen uns alle Zukunftsprognosen – wie kaum eine andere Region über das erforderliche geistige, wirtschaftliche und touristische Potenzial zur kulturellen Profilierung und Aktivitätssteigerung. Man muss es nur nutzen ( wollen )! Die grundständigen Kulturinstitutionen in privater und freier Trägerschaft sind dafür jedoch ebenso unverzichtbar wie die Kultureinrichtungen der Stadt und der umliegenden Kreise, des Landes und auch des Bundes. Deren Bereitschaft zum Engagement wird kulturpolitisch vielfach zu wenig geweckt bzw. genutzt.  

( 4 ) Das Proprium städtischer Kulturpolitik: Aufgabe städtischer Kulturpolitik kann und darf nicht die Bestandswahrung um jeden Preis sein, aber auch nicht Abbau „ohne Rücksicht auf irreversible Verluste“.

Eine realistische Haushaltsstrategie impliziert vielmehr vier Voraussetzungen:

+ eine sorgfältige Überprüfung aller Kosten- und Leistungsstrukturen

+ eine möglichst präzise Ermittlung möglicher Einsparpotenziale

+ eine verstärkte Akquirierung öffentlicher und nicht-öffentlicher Zuwendungen

+ sowie Formen der Zusammenarbeit, die künstlerische und wirtschaftliche

Synergieeffekte freisetzen.

In diesen Hinsichten gibt es noch viel zu tun in Bonn – aber auch manches zu

bewerkstelligen. Deshalb lautet die erste Forderung des KULTURKREISES BONN:

Bei der Gestaltung des städtischen Haushaltes darf es keine Sonderopfer für die Kultur geben, so lange nicht die Gestaltungsräume einer realistischen Haushalts- strategie ausgeschöpft sind, und - der Kulturhaushalt darf auch nicht mit sach- fremden Leistungen belastet werden. Es geht schließlich um die Entwicklung

langfristig finanzierbarer Strukturen. 

( 5 ) Zwei Hauptaufgaben: Städtische Kulturpolitik hat u. E. zwei Hauptaufgaben zu lösen: einerseits die sensible Vermittlung zwischen Traditionen und Zukunftspotenzialen, andererseits die Evaluierung und zukunftsichernde Profilierung des gesamtstädtischen Kulturangebots.

 Die Zukunft zu gewinnen heißt demnach: Kompetenzen bündeln – Kooperation fördern – regionale, nationale und internationale Akzente verstärken. 

Daraus leitet sich zugleich auch unsere zweite Forderung her nach mehr Transparenz hinsichtlich der strukturellen und finanziellen Konzeption der kommunalen Kulturarbeit her.

Die Zukunft zu gestalten heißt nämlich: Stärkere Einbeziehung der Kompetenzen der kulturellen Akteure wie auch des Engagements der Kulturfördervereine. 

Der KULTURKREIS BONN, der sich im Frühjahr 2011 gegründet hat und dem mittlerweile 48 Bonner Kulturfördervereine angehören, teilt die Überzeugung vieler Kulturexperten auf Bundes- und Landesebene, in Wirtschaft und Wissenschaft, dass ein breites und vielfältiges kulturelles Angebot wichtig ist für die Menschen in Bonn und der Region, insbesondere für unsere Neubürgerinnen und Neubürger aus mehr als 170 Nationen sowie für unsere Kinder und Jugendlichen, denn – lassen Sie mich unseren Orientierungsrahmen mit der Maxime eines der Sponsoren des heutigen Abends beschließen –  

Kunst und Kultur stiften Identität und bereichern das Leben!

Drei Dankesworte bitte ich dennoch anfügen zu dürfen. Das erste gilt Ihnen, Herr Bundesminister a.D. Steinbrück. Im Namen des Kulturkreises möchte ich Ihnen herzlich danken für Ihre Bereitschaft, die Festrede zu unserem Aschermittwochs-Motto „Kultur braucht Zukunft! – Zukunft braucht Kultur!“ zu halten. Als Bonner Bürger haben Sie sich in verschiedenen Funktionen stets für unsere Stadt und ihre Belange – gerade auch die kulturellen - eingesetzt. Auch dafür gebührt Ihnen unser herzlicher Dank. 

Den Mitgliedern des Kulturkreises möchte ich Dank und Anerkennung aussprechen für die andauernde Bereitschaft zu zielgerichtetem kollegialen Denken und Handeln, sowohl untereinander als auch im Zusammenwirken mit den Handlungsträgern in Politik und Verwaltung. Der Kulturkreis würde es begrüßen, wenn in den in der nächsten Woche beginnenden Gesprächen mit der Initiative „Sportstadt Bonn“ strittige Sachverhalte in ähnlich einvernehmlicher Weise erörtert werden könnten. 

Schließlich noch ein besonderes Wort des Dankes und zugleich des Gedenkens: Der Kulturpolitische Aschermittwoch in Bonn wurde von Karin Hempel – Soos ins Leben gerufen – einer ebenso anregenden wie streitbaren Persönlichkeit. Ihrem Wirken hat die Bonner Kultur viel zu verdanken – wie wir nicht erst im Nachhinein feststellen. Am heutigen Abend und in Zukunft sind wir bemüht, in gewandelter Trägerschaft und mit aktuellen Akzentsetzungen die von ihr begründete Tradition fortzuführen. Bitte unterstützen Sie uns auch dabei! 

Getreu dem Motto der nächsten Karnevalssession:

Bönnsche Bröcke – dröwer jöcke!

 

 

 

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