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Am 12. August um 11 Uhr erinnerten wir auf dem Münsterplatz

zum fünften Mal an die Enthüllung des Beethoven-Deenkmals am gleichen Tag im Jahr 1845. Die Musik steuerten Hermann Hergarten (Drehorgel) sowie Arnulf und Lea Marquardt-Kuron (Saxophon) bei. Stephan Eisel schilderte mit Zitaten von Zeitzeugen das historische Ereignis vor. Mit dabei waren auch Hector Berlioz, Aldolphe Sax, Louis Spohr, Gottfried Kinkel, Queen Victoria, Alexander Humboldt - und Marie Ophoven, der ausfühlicher Brief mit detaillierten Schilderung der Ereignisse erst Anfang 2017 gefunden wurde.

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Den folgenden Text von Stephan Eisel mit Zeitzeugen-Berichten zur Enthüllung des Beethoven-Denkmals am 12. August 1845 können Sie mit allen Quellenangaben hier ausdrucken.

 

 

BÜRGER FÜR BEETHOVEN am 12. August 2017: Erinnerung an die Enthüllung des Bonne Beethoven-Denkmals am 12. August 1845

BÜRGER FÜR BEETHOVEN am 12. August 2017: Erinnerung an die Enthüllung des Bonne Beethoven-Denkmals am 12. August 1845

Stephan Eisel: Die Enthüllung des Beethoven-Denkmals in Bonn am 12. August 1845

Das erste Bonner Beethovenfest fand vom 10. bis 13. August 1845 mit dem Höhepunkt der  Enthüllung des ersten Beethoven–Denkmals am 12. August statt. Dazu liegen eine reihe von Zeitzeugen-Berichten vor, von denen insbesondere zu nennen sind: 

-       Hector Berlioz im Journal des Débats Politique et Littéraires am 22. August und 3. September 1845,

-       Das Bonner Wochenblatt, 37. Jahrgang, Nr. 217–224 vom 8. bis 15. August 1845,

-       Ferdinand Simon Gaßner in der Zeitschrift für Deutschlands Musikvereine 1845,

-       Friedrich Melchior Gredy in der Zeitschrift für die musikalische Welt Caecilia am 31. Oktober 1845,

-       Gottfried Kinkel als deren Bonner Korrespondent in der Augsburger Allgemeine Zeitung vom 7., 8., 21. und 25 August 1845,

-       Anton Schindler in der Leipziger Illustrierte Zeitung vom 20. September 1845 und

-       August Schmidt in der Wiener allgemeine Musik–Zeitung vom 21., 23. und 26 August 1845.

Dabei muss berücksichtigt werden, dass Anton Schindler und August Schmidt besonders kritische Berichterstatter waren. Schindler sah sich als einzig berufener Nachlaßwalter Beethoven´s und  lieferte sich vor dem Fest einen anhaltenden öffentlichen Schlagabtausch mit den Organisatoren, offenbar weil im selbst keine wichtige Rolle bei den Vorbereitungen angetragen worden war. Die  ausführlichen Berichte von August Schmidt in der Wiener allgemeinen Musik-Zeitung sind allgemein durchzogen von beißendem Wiener Spott über die Zustände in Bonn: „Ich habe nunmehr schon vielen Musikfesten und Sängerfesten beigewohnt, doch noch niemals ist mir ein ähnlicher ganz und gar unpraktischer Fürgang von Seite der Festveranstalter vorgekommen.“ 

Einen besonderen Charakter haben die erst 1873 von seiner Frau veröffentlichten Briefe und Tagebucheinträge von Ignaz Moscheles über seinen Besuch beim Beethovenfest. Erheblich später und aus der Erinnerung mit Veröffentlichungsabsicht  haben Johann Vesque von Püttlingen sowie  der Bonner Bürgern Carl Schorn und Ferdinand Walter ihre Erlebnisse als Zeitzeugen des ersten Beethovenfestes zu Papier gebracht. 

Eine Sonderstellung nehmen die Berichte ein, die Heinrich Carl Breidenstein als Vorsitzender sowohl des 1835 gegründeten “Bonner Verein für Beethovens Monument” als auch des daraus im Juni 1844 entstandenen „Festkomitees“ vorgelegt hat. 

Eine erst 2017 entdeckte neue Quelle ist der ausführliche Brief, den die damals 31–jährige Marie Ophoven geb. Hüffer (1814–1864) bereits am 15. August 1845 an ihre in Münster lebende Stiefmutter Julia Hüffer geb. Kaufmann verfasst hat. Aus dem Inhalt ihres Briefes ergibt sich, dass Marie Ophoven am Sonntag, den 10. August 1845 nachmittags per Zug von ihrem Wohnort Eschweiler-Aue in Bonn eingetroffen ist. Untergebracht war sie offenbar bei ihrer Stief-Großmutter Josephine Kaufmann. Sie reiste am 14. August wieder in ihren Wohnort Eschweiler–Aue ab. Dort hat sie den Brief offenbar am 15. August geschrieben. 

Marie Ophoven hat alle drei Konzerte des ersten Beethovenfestes in Bonn sowie das Hochamt im Bonner Münster besucht und an der Enthüllung des Beethoven–Denkmals teilgenommen und berichtet darüber jeweils ausführlich. 

Der Tag der Enthüllung des Beethoven-Denkmals folgte einer besonderes Choreographie: Das Programm sah einen Festzug vom Rathaus zum Münster vor, dem dort ein Festgottdienst folgen sollte bevor danach die Enthüllung des Denkmals auf dem Münsterplatz vorgesehen war. Für den Nachmittag war zu einem weiteren Konzert in der Festhalle geladen worden. 

Beim Festgottesdienst im Münster kam Beethovens Messe in C–Dur op. 86 unter der Leitung von Heinrich Carl Breidenstein zur Aufführung. Überlagert wurde dieses musikalische Erlebnis von den offenbar chaotischen Umständen schon vor dem Gottesdienst. Marie Ophoven schreibt dazu in ihrem Brief: 

„Am Dienstag Morgen gegen 9 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung, um erst in der Münsterkirche der Aufführung der Messe No 2. beizuwohnen, wir hatten das furchtbare Gedränge gefürchtet, welches auch derartig statt hatte, daß die Damen theilweise ohne Hüte, Halstücher, ja sogar Schuhe dahin gelangten, und einige in Ohnmacht fielen, überhaupt die Aufmerksamkeit durch diese vorkommenden Unruhen von der sonst herrlichen Aufführung abgelenkt wurde;“ 

Die vorliegenden Berichte bestätigen diese Themengewichtung bei Marie Ophoven. Nach dem Bericht der Wiener allgemeinen Musik–Zeitung gingbis sich der vom Rathaus kommende Festzugdem Münster näherte „alles so ziemlich in guter Ordnung, bis auf eine Masse der Zuseher, die sich, da Niemand bei dem Zug selbst die Aufsicht hatte, in den Zug und in die Reihen der Gäste gewaltsam eindrängte (selbst Frauen fanden es nicht unangemessen in den Reihen der Männer zu marschieren), als sich jedoch die Thore des Münsters öffneten, um den Zug aufzunehmen, brachen, als eben ein kleiner Teil der Ehrengäste der Eingang beschritten hatte,  die an beiden Seiten als Spalier aufgestellten Studenten selbst in die Reihen des Zuges ein, und drängten sich dem Kirchenthore zu, ihnen wälzte sich die Masse des Volkes nach, und es entstand ein Gedränge, aus dessen Mitte wir uns nur Gefahr erdrückt zu werden oder unsere Kleider vom Leibe gerissen zu sehen, herauswinden konnten, und also auf die Beiwohnung des Hochamtes ganz verzichten mußten. Ein Theil der Gäste zerstreute sich, die anderen fanden sich wieder im Rathause, unter welchen ich selbst war, und kamen dann in corpore auf den Münsterplatz, wo das verhüllte Denkmal stand.“ 

Auch Gottfried Kinkel, der damals für die Augsburger Allgemeine berichtete, schildert die Situation, auf die sich Marie Ophoven bezieht, sehr anschaulich: 

„Was half es, dass die Studierenden dort Spalier bilden? Sobald die Kirche aufging, strudelte die Masse, eingekeilt in das dort längst harrende Volk, durch die Türe herein: ein Gendarm musste durch Ausschlagen seines Pferdes dicht vor der geweihten Stätte Raum schaffen, und mit Lebensgefahr wurde alles die Treppenstufen in die niedriger gebühnte Kirche hinababgestürzt. Drinnen wäre nun durch starke Schranken und Billets immer noch die Ordnung herzustellen gewesen. Jetzt aber ließ sich kein Unterschied mehr festhalten, und in unerträglicher Enge schoben sich die Massen gegen den Hochaltar. .. Herrlich klangen aus dem tiefen wölbigen Chor die Töne ins Schiff herab, weit feierlicher und getragener als in dem Holzbau der Halle, aber es fehlte im Publikum die Stimmung, und mit ihr alles ... Ich glaube überhaupt, dass die Missa gut gegangen ist – ich glaube es, denn mit Andacht hören konnte man vor Hitze, Gedränge und Getümmel unmöglich.“ 

Im gleichen Tenor heisst es bei Hector Berlioz: 

„Fast hätte ich am zweiten Tage die Aufführung der Messe im Dome nicht hören können, dank der Rücksichtslosigkeit des Komitees, dass sich um alle seine Gäste nicht im geringsten kümmerte. Es war unmöglich, zu den Kirchentüren zu gelangen; die Menge verspäte alle Zugänge; man erdrückte einander ohne Scheu; und gewiss haben die aus Paris und London hergereisten „Professionellen“in diesem Menschenauflauf ihre besten Streiche ausgeführt. Schließlich fiel mir ein, dass es irgendwo eine versteckte Türe für die Mitglieder des Orchesters und des Chores geben müsse, und ich erkundigte mich danach; dank einem guten Bonner vom Komitee, der mich, als er meinen Namen hörte, nicht für den Verfasser des Télémaque hielt, gelang es mir, mit unzerissenem Rock hineinzudringen. Am anderen Ende der Kirche ließen sich entsetzliche Laute vernehmen; zeitweise meinte man, dass Zetergeschrei einer im Sturm eingenommen Stadt zu hören.“ 

Ferdinand Simon Gassner beschreibt „ein Wettrennen, das in einen Wettkampf auslief“ und Ignaz Moscheles beklagt: „Unter den Ehrengästen auf dem Rathhause gewartet, um 9 Uhr mit ihnen unter grossen Mühseligkeiten in die Münsterkirche.“ Etwas dramatischer berichtet Friedrich Melchior Gredy über eine „Kirchenfeier, wozu der Eintritt überdies noch lebensgefährlich war“. „Nach Breidenstein war das Gedränge ist so groß, dass viele im buchstäblichen Sinne des Wortes auf den Schultern der andern getragen wurden. Es sei nicht zu vermeiden gewesen, da der Münsteroberpfarrer bei Überlassen der Kirche die freie Zulassung des Volkes zur ausdrücklichen Bedingung gemacht habe.“ 

Ophovens Bemerkung „von der sonst herrlichen Aufführung“ wird von den wenigen Presseaussagen zur Darbietung der C-Dur-Messe bestätigt.  In der Nürnberger Zeitung heisst es: „Die Aufführung war eine fast in allen Theilen gelungene.“ Hector Berlioz fand die Aufführung „bemerkenswert.“ Ignaz Moscheles schrieb sogar: „Beethoven´s C–Dur– Messe, ein erhebender reiner Hochgenuss“. 

Kritischer vermerkte August Schmidt in der Wiener allgemeinen Musik-Zeitung,  dass er selbst „wegen der mangelhaften Festanordnungen daran Theil zu nehmen gehindert war“ und zitiert einen musikverständigen Bekannten, „daß die Tempi ganz vergriffen waren, besonders aber beim Eintritt der Fugen zu wenig markirt und bedeutend zu schnell genommen wurden“. 

Nach dem Urteil des verantwortlichen Dirigenten Breidenstein „gelang die Aufführung ‘vollkommen’, wenn auch die Herren Trompeter eine Stelle verpatzten: ‘Es war dies namentlich die beste Leistung des Fräulein Kratky. Tief ergreifend war der Vortrag der Sopransoli durch die Fräulein Tuczek, und mit den Leistungen der beiden hiesigen Dilettanten hatte mal gleichfalls Fall Ursache zufrieden zu sein.’“

Organisatorische Probleme überschatteten auch die Enthüllung des Beethoven–Denkmals auf dem Münsterplatz nach dem Festgottesdienst im Bonner Münster, wobei davon im Artikel des  Bonner Wochenblatts über den Ablauf der „Inaugurationsfeier“ nichts zu lesen ist: 

„Dieselbe begann mit der Ouvertüre zur Oper Fidelio von Beethoven, ausgeführt vom Musikcorps des 28. Infanterie–Regiments. Hierauf hielt Herr Prof. Breidenstein, als Vorsitzender des engeren Comite´s, die Festrede, während welcher, an der passenden Stelle, die deckende Hülle des Monuments wie durch einen Zauberschlag plötzlich sank, und das höchst gelungene Kunstgebilde in überraschender Vollendung und gerade von den ersten Sonnenstrahlen dieses Tages fast magisch beleuchtet, sich den erwartungsvollen Blicken zeigte. Lauter und endloser Jubel mit Böllerschüssen und Gewehrsalven der, das Monument umstehenden Schützengilde untermischt, erfüllte die Luft; und Aller Blicke und Herzen labten sich an dem kaum geahnten, wahrhaft imposanten Anblick des Denkmals und der dadurch hervorgerufenen allgemeinen Begeisterung. Zugleich wurden noch die von Herrn Domkapitular in Aachen Dr. Smets eigens für das Fest und von Herrn Breidenstein für Männerchor in Musik gesetzte Cantate unter Leitung des Komponisten mit Blasinstrumenten–Begleitung, so wie ein von dem Gymnasiallehrer und Comite–Mitglied Kneisel verfaßtes Festlied nach einer heimischen Volksmelodie (deren gedruckte Texte unter den Anwesenden verteilt wurden) abgesungen und mittlerweile die nachträglich ach von dem engeren Comite und den Festkommissionen mit unterzeichnete eine Urkunde in bleierner, hermetisch verschlossener Kapsel, unter den üblichen Ceremonien in den Fuß des Monuments zur immerwährenden Gedächtnis eingesenkt und vermauert; womit diese ebenso seltene als großartige und erhebende Feierlichkeit schloß.“ 

Marie Ophoven hingegen spricht in ihrem Brief auch die weniger gelungenen Teile des Ablaufs offen an: 

„nun nach beendigter Messe nahmen Alle ihre Sitze rings um das Monument ein, und man harrte den Majestäten entgegen, sie kamen erst nach 12 Uhr, wir sahen sie vortrefflich hereinrücken, die beiden Königinnen in einem Wagen, das Hurrah war nicht übermäßig; jetzt wurde zur Festcantate des Herrn Breitenstein geschritten, es war erbärmlich eben so glaube ich seine Rede, aber prächtig war der Augenblick, wo die Hülle fiel, unter einem ungeheuren Jubelruf der Menge, Music und Geschützessalven, zeigte Beethoven sich der ungeheurn Versammlung, freilich kehrte er den auf Fürstenbergs schön verziertem Balkon, versammelten Herrschafften den Rücken. Bald verlief sich jetzt die Menge und Beethoven stand allein, nur noch von einigen Kritikern umstellt, von diesen fehlt es nicht, einer findet den einen Arm zu kurz, der andere den anderen zu lang. den Ausdruck zu wild, etc, etc, vielleicht, daß die Statue sich noch vortheilhafter ausnähme, wenn sie noch um einen oder zwei Fuß erhöhter stände.“ 

Während Ophoven die verspätete Ankunft der königlichen Hoheiten nur kurz erwähnt („sie kamen erst nach 12 Uhr“), spielt diese Verspätung in anderen Berichten eine erheblich größere Rolle. Ignaz Moscheles klagte: „Bis ½ 1 Uhr den brennenden Sonnenstrahlung ausgesetzt; sehr lästig; endlich erlöst durch die Ankunft der hohen Gäste auf dem Balcon Des Fürstenberg´schen Hauses.“

Hector Berlioz schrieb ganz ähnlich: 

„Unmittelbar nach der Messe musste ich der Einweihung des Denkmals auf dem benachbarten Platze beiwohnen. Dort besonders hatte ich von der Kraft meiner Fäuste ausdauernden Gebrauch zu machen. Mit dieser Hilfe und durch einen kühnen Sprung über eine Barriere gelang es mir, einen der reservierten, eingezäunten Plätze zu erobern; so daß, alles in allem, die Einladung des Bonner Festkomitees mich nicht daran gehindert hat, das Fest zu sehen. Während einer vollen Stunde blieben wir da aufeinander gehäuft und warteten auf die Ankunft des Königs und der Königin von Preußen, der Königin von England und des Prinzen Albert, welche von der Höhe eines für sie vorbereiteten Balkons der Feierlichkeit zusehen sollten.“ 

Auch August Schmidt kritisiert in der Wiener allgemeinen Musik-Zeitung die Zustände auf den rund um das Denkmal aufgebauten Tribünen: 

„In diesem engen Raume zusammengepreßt, den sengenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, mußten wir wohl über eine Stunde auf die Ankunft der hohen Gäste harren, welche von Brühl herüber kamen, um dem Feste beizuwohnen. Endlich erschienen sie und wurden mit lautem Jubel des Volkes empfangen. Es währte jedoch noch eine halbe Stunde, bis das Fest beginnen konnte, da die hohen Herrschaften zuvor noch die Urkunde unterzeichneten“. 

Ob sich auch Marie Ophoven auf diesen Tribünen, die zahlenden Gästen vorbehalten waren, aufhielt, ist unklar. Aber offenbar empfand sie die Wartezeit für den gesamten Ablauf nicht so dramatisch wie Anton Schindler: 

„Wäre dieser von Tausenden mit gespannter Neugier erwartete Act alsbald nach beendigtem Gottesdienste erfolgt, so wäre die Begeisterung sicherlich eine nachhaltige gewesen. So mußte die Große Versammlung die Ankunft der KK.MM. in Begleitung der britischen Monarchin und des Prinzen Albert vom Schloß Brühl erwarten und nicht weniger als  1 ½ Stunde unter freiem Himmel harren, bis die Majestäten auf dem Balcon des gräfl. Fürstenberg´schen Hauses – von wo die Statue nur von rückwärts gesehen werden konnte –erschienen und die feierliche Handlung vorgenommen wurde. Während des langen Harrens hatten eine zu warme Sonne und ein zu starker Wind mit abwechselnd über die Häupter hinwegziehenden Regenwolken Ungeduld und Langweile erzeugt, sohin war es um alle begeisternden Gefühle geschehen. Jeder wünschte sich von dannen, da es bereits spät geworden.“ 

Unterschiedlich wurde auch die Reaktion des Publikums bei der Ankunft der königlichen Herrschaften wahrgenommen. Ophovens Bemerkung „das Hurrah war nicht übermäßig“, steht in deutlichem Widerspruch zu anderen Berichten: Das Bonner Wochenblatt schrieb von „dem herzlichsten und lautesten Jubelruf der auf dem geräumigen Münsterplatze und in den angrenzenden Häusern bis zu den Dachspitzen hin zahllos versammelten Volksmenge“. Im Bayerischen Volksfreund ist die Rede „von einem donnernden, lang anhaltenden Hoch“, in der Wiener allgemeinen Musik-Zeitung von „lautem Jubel des Volkes“. 

Dass Marie Ophoven die Festkantate von Breidenstein zu Recht „erbärmlich“ nannte, bestätigen alle bekannten zeitgenössischen Berichte. Selbst Breidenstein bezeichnete sein eigenes Werk als dieses unbedeutende, durch Aufführung im Freien unter lärmenden Geschrei von Tausenden und dem Geflatter von 40 von starkem Wind bewegten Fahnen ohnehin zum Opfertod bestimmte Stück“.Auch Hector Berlioz stellte die äußeren Umstände in den Mittelpunkt: „selbst bei ruhiger Atmosphäre hätte ich gewiß nicht viel von dieser Komposition erfasst; man weiß ja, wie wirkungslos Vokalmusik im Freien bleibt; nun blies zudem noch der Wind mit Gewalt über die Choristen hin und trug den mir zukommenden Anteil der Harmonien des Herrn Breidenstein ungerechterweise den Zuschauern am entgegengesetzten Ende des Platzes zu; und diese fanden ihn noch recht kärglich, die Unersättlichen!“ 

Die Wiener allgemeinen Musik–Zeitung charakterisierte die Breidenstein–Kantate als „ein geistesarmes, ganz nüchternes Produkt ohne auch nur den kleinsten Funken von Originalität, ein wirkungsloses Machwerk in jeder Hinsicht, das nur von der ganz und gar mangelhaften, in allen Teilen unvollkommenen und verfehlten Aufführung noch an Werthlosigkeit übertroffen wurde. Es gehört ein hoher Grad von Selbstüberschätzung dazu, um als unbekannter Tonsetzer die Composition  eines zum Inaugarationsfeste Beethoven´s zur Aufführung bestimmten Tonstückes zu übernehmen, um dieses jedoch auf solche Weise im Beisein der größten Kunstnotabilitäten Deutschland´s, Im Beisein der Vertreter der musikalischen Presse von Frankreich, Belgien und England bei diesem feierlichen Akte zur Aufführung zu bringen, dazu gehört wohl mehr als die Einfalt irgendeines obscuren Musikdocenten.“ 

Anton Schindler urteilte – sicherlich nicht unbeeinflusst von seiner allgemeinen Abneigung gegenüber Breidenstein –  ähnlich: „Ein unter aller Würde von einem zahlreichen Männerchor abgeschriener „Festgesang“ nach einer schönen Dichtung von Dr. Smets, componirt von Professor Breidenstein, benahm der Feierlichkeit vollends allen Ernstes und artete in eine Posse aus.“ Der bei der Denkmal-Enthüllung anwesende Chef der Londoner Philharmoniker Sir Smart nannte Breidensteins Komposition „a dull piece of music“, Vesque von Püttlingen „ein so schmähliches Machwerk, daß mir wegen der anwesenden Fremden die Schamesröte in die Wangen trat“. 

Etwas weniger scharf formulierte F. M. Gredy in Caecilia:  „Der Enthüllung der Statue ging eine Rede des Herrn Prof. Breidenstein, Präsidenten des Comités, voran und folgte ein von demselben componirter und geleiteter Festchor, der durchaus nicht der Feier angemessen war.“ Lediglich für die Nürnberger Zeitungwar die Breidenstein–Kantate „ein trefflicher Männerchor“. 

Auch Ophovens vernichtendes Urteil über Breidensteins Rede („erbärmlich“) wird durchgängig geteilt. Zum Fiasko geriet sie offenbar, weil von ihr im allgemeinen Lärm „selbst die Zunächststehenden nichts vernahmen“und sie „für neunhundertneunundneunzig Tausendstel der Zuhörerschaft verloren war.“ Gottfried Kinkel bedauerte dies ausdrücklich: „Es war schade, dass diese Rede für die große Mehrzahl wirkungslos verhallte und erst durch ihren Abdruck in der Kölnischen Zeitung bekannt wurde; war es doch das einzige Mal, dass bei diesem Fest das gesprochene Wort neben dem gesungenen zu Ehren kam.“

Bestätigt wird Marie Ophoven durch andere Zeitzeugen auch in ihrer Schilderung der eigentlichen Denkmalenthüllung: „prächtig war der Augenblick, wo die Hülle fiel, unter einem ungeheuren Jubelruf der Menge, Music und Geschützessalven, zeigte Beethoven sich der ungeheurn Versammlung“. Hector Berlioz schilderte die Szene so: 

„Das plötzliche Abbrechen der sehr lebhaften Unterhaltungen zwischen den nichhörenden Zuhörern kündigte das Ende der Reden und Kantaten an, und jeder merkte auf, um zu sehen, wie man das Denkmal von seiner Hülle befreite. Als es sichtbar wurde brach das Beifallklatschen, Hurrarufen, Fanfarenblasen, Trommelschlagen, Gewehrabfeuern, Kanonenschießen und Glockengeläute, kurz, all der Bewunderungsspektakel, der bei der zivilisierten Völkern die Stimme des Ruhmes ist, von neuem los und begrüßte das Bildnis des großen Komponisten.“ 

Der Bayerische Volksfreund schrieb: „Als nun wirklich die Hülle sank, erhob sich ein donnernder Jubelruf und jedes Haupt entblößte sich; auch die Majestäten, die gegen 12 ½ Uhr angelangt waren, erhoben sich von ihren Sitzen, um dem Andenken des Tondichters, welchen Deutschland sein nennt, die verdiente Anerkennung zu zollen.“Der Anblick Denkmals traf die auf dem Münsterplatz versammelte Menschenmenge „wie ein elektrischer Schlag, und entlud sich in lauten, lange forthaltendem Jubelruf.“ Auch die Nürnberger Zeitung berichtete: „Die Enthüllung machte den tiefsten Eindruck, denn selbst der Farbenton des Metalls paßt ganz zu dem Ernste des Standbildes, das großartiger, gelungener in der Wirkung ist, als wir dachten. Unbeschreiblich war der allgemeine Jubel.“ Lediglich August Schmidt schreibt in der Wiener allgemeine Musikzeitung „der Moment, in welchem die Hülle vom Standbilde abgezogen wurde, ging sonach vorüber, ohne einen tieferen Eindruck hervorzubringen.“ 

Besonders bemerkenswert ist, dass Marie Ophoven schon bei feierlichen Enthüllung des Beethoven–Denkmals aufgefallen war, was bis heute die Erinnerungen an die Denkmal–Enthüllung bestimmt: „freilich kehrte er den auf Fürstenbergs schön verziertem Balkon, versammelten Herrschafften den Rücken.“ Von den Zeitgenossen wird dieser Umstand nur von Schindler öffentlich vermerkt („auf dem Balcon des gräfl. Fürstenberg´schen Hauses – von wo die Statue nur von rückwärts gesehen werden konnte“). Aufgefallen ist dies aber auch Queen Victoria, die in ihrem  in ihrem (unveröffentlichten) Tagebuch notierte: „Wir gingen auf den Balkon, um der Enthüllung von Beethovens Statue zuzusehen, zu dessen Ehren viele große Festlichkeiten stattfanden. Unglücklicherweise bekamen wir, als die Statue unbedeckt war, nur eine Rücken-Ansicht zu sehen. 

Erst zwanzig Jahre später wurde in den Erinnerungen von Ferdinand Walter dieser Umstand erstmals schriftlich mit der offenbar volkstümlich überlieferten Empörung des Königs von Preußen und der  Reaktion Humboldts darauf verknüpft und damit der Grundstock für die große Verbreitung der bis heute populäre Anekdote gelegt: „Der König rief mit seiner hellen Stimme: ‚Ei, der kehrt uns ja den Rücken!‘ Herr von Humboldt, der in der Nähe stand, sagte ruhig: ‚Ja, er ist auch schon in seinem Leben immer ein grober Kerl gewesen. Die wohlangebrachte Erheiterung machte möglichst vieles gut.“

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